Religiöse Bildungsarbeit im Elementarbereich
Wenn der*die Kleine plötzlich gar nicht mehr so klein ist, stehen Eltern vor der Entscheidung, welcher Kita sie ihr Kind anvertrauen. Deutschlandweit befinden sich 57,2 % der Kitas in gemeinnütziger Trägerschaft – 32,3 % davon sind in kirchlicher Trägerschaft.[1] Doch ist eine Kita in kirchlicher Trägerschaft das Richtige? Gehört religiöse Bildung überhaupt in eine Kita? Wie kann religiöse Bildung aussehen, die von Freiheit und Sensibilität geprägt ist? Eine Fallstudie der KatHo NRW (Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen) hat sich die religiöse Entwicklung junger Kinder (jünger als 5 Jahre) angeschaut und danach gefragt, wie gute religionspädagogische Arbeit aussehen könnte. Das heißt beide Seiten wurden in den Blick genommen, einerseits das Kind, das im Mittelpunkt religiöser Bildung steht. Und andererseits die Erzieher*innen, die mit unterschiedlichen Konzepten und Methoden Religionspädagogik betreiben. Ergebnis: Kinder haben Interesse an Religion. Und das unabhängig von der religiösen Vorbildung und der Religionszugehörigkeit. Ausschlaggebend dafür, ob ein Kind offen für Religion und Religiosität ist, sind die augenblickliche Lebenssituation und die Entwicklungsaufgaben, vor denen ein Kind steht. Wichtig ist den Kleinen dabei tatsächlich auch, sich darüber mit Gleichaltrigen austauschen zu können. Beispielsweise: „Lebt deine Oma noch? Wo könnte meine denn sein, jetzt, wo sie nicht mehr da ist?“
Jedes Kind entwickelt eine eigene Spiritualität. Ein Junge beispielsweise, der in einer naturverbundenen Familie aufwächst, entwickelt leicht eine Vorliebe für Schöpfungsthemen, sorgt sich um verletzte Tiere, beerdigt ein totes Tier mit einem selbst gebastelten Kreuz. Oder einem katholisch getauften Jungen, der immer als „der Kleine“ gilt, hilft es, sich mit biblischen Gestalten wie David zu identifizieren, der klein ist, aber nach Größe strebt. Auch Kinder, die in ihrer Familie keinen expliziten Bezug zu Religion haben, entwickeln eine eigene Religiosität: Sie kommen mit religiösen Phänomenen, Symbolen und Verhaltensweisen in Berührung und verhalten sich dazu. So kann es passieren, dass ein Kind unbedingt das Ritual des Segnens daheim einführen will, weil es dies in seinem Kindergarten kennengelernt hat.
Wie können Sie als Erzieher*in Kinder dabei unterstützen?
- Bleiben Sie neugierig und wachsam, wenn die Kinder religiöse Themen zur Sprache bringen: „Merkt mein gestorbenes Geschwisterchen, dass ich gerade an es denke?“ „Wie sieht Gott aus?“ „Warum ist mein Opa gestorben?“
- Gehen Sie gemeinsam mit den Kindern auf Antwortsuche. Ihre eigenen Fragen und Unsicherheiten dürfen Sie einbeziehen, es geht nicht um theologisch korrekte Antworten, sondern um authentisches Suchen. Besonders schön ist es, wenn es gelingt, mehrere Kinder in solche Gespräche einzubeziehen.
- Bleiben Sie sensibel für die unterschiedlichen Zugänge zu Religion und Religiosität. Kinder entwickeln ihren eigenen Weg abhängig von Backround, Konfessionszugehörigkeit und Lebenssituation. Wichtig ist dabei auch, ihnen zu helfen, über den eigenen Tellerrand zu blicken und sich in einer pluralen Gesellschaft zurechtzufinden.
- Sprechen Sie in den Gesprächen mit den Eltern an, wenn sich ihr Kind beispielsweise für die unterschiedlichen Religionen interessiert, weil der muslimische Spielkamerad so ganz andere Rituale kennt. Denn es geht in der Kita nicht nur um die soziale und geistige Entwicklung des Kindes.
Wenn sich Kinder nach dem Besuch der Kita immer noch oder gerade erst durch Ihre Unterstützung für Religion und Religiosität begeistern können und offen sind für Pluralität, können Sie sich meiner Ansicht nach beruhigt auf die Schultern klopfen und von sich behaupten, Sie haben gute religiöse Bildung geleistet.
Sonja Wiesner ist Dozentin an der Landvolkshochschule Hardehausen und ist studierte Theologin.