Was unsere Gesellschaft zusammenhält
Unter der Leitfrage „Was unsere Gesellschaft zusammenhält“ kamen am Liboridienstag über 600 Gäste aus Kirche, Landwirtschaft und Politik zur Landvolkkundgebung im Paderborner Schützenhof zusammen. Auch WDR-Moderatorin Steffi Neu, die Paderborn nicht zuletzt wegen des Weihnachtswunders 2024 verbunden ist, war zu diesem Anlass angereist. Eingenommen von ihren vorweihnachtlichen Erinnerungen, aber auch geprägt von ihrer eigenen ländlichen Herkunft, hielt sie die diesjährige Festrede. Die anschließende Talkrunde unter Beteiligung von Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz, Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen-Landesverbands (WLV), Präsidentin des Westfälisch-Lippischen-Landesfrauenverbands (WLLV), Cornelia Langreck, und Hagen Salmen aus dem Diözesanverband der Katholischen Landjugendbewegung im Erzbistum Paderborn versuchte schließlich Antworten zu finden auf die zentrale Frage „Was unsere Gesellschaft zusammenhält“.
Der Tag des Landvolks ist fester Bestandteil der Liboriwoche – so auch 2025. Nach dem feierlichen Pontifikalamt im Hohen Dom zu Paderborn, zelebriert von Weihbischof Matthias König, zog es die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Paderborner Schützenhof zur traditionellen Landvolkkundgebung.
Barbara Leufgen, Direktorin der Katholischen Landvolkshochschule Hardehausen, begrüßte die Gäste der Landvolkkundgebung mit den Worten, die Erzbischof Dr. Bentz zu Libori gewählt hatte: „Trau dich, zu glauben. Trau dich, zu leben, trau dich, das Leben zu feiern“, und ergänzte: „Es sind Worte, die mich sehr angesprochen haben. So fühlen wir uns als katholische Bildungseinrichtung ermutigt, durch unser Handeln einen Heimat- und Dialogort sowie besonderen Glaubensort über die Gemeinden hinaus für Menschen aus den ländlichen Räumen zu bieten.“ Mit den Bildungs-, Beratungs- und Seelsorgeangeboten wolle die Landvolkshochschule Menschen ermutigen, das Leben auf dem Land mitzugestalten, und so einen Beitrag leisten zum Zusammenhalt der Gesellschaft, schlug Barbara Leufgen die Brücke zur Leitfrage der Veranstaltung.
„Ich bin selbst Bauerskind“
„Keiner soll allein sein“, auch das sei eine Antwort auf die Frage, was unsere Gesellschaft zusammenhalte, sagte WDR-Moderatorin Steffi Neu. „Ich habe deshalb meine Mutter und meine Schwiegermutter, beide über 80 Jahre, heute mit nach Paderborn gebracht“, berichtete die Moderatorin freudig. Der Tag des Landvolks sei für sie besonders schön, weil sie auf einem Bauernhof aufgewachsen sei – und noch heute dort lebe. „Ich bin in der katholischen Landjugendbewegung groß geworden. Dass niemand allein sein soll, das ist für mich eine wichtige Botschaft und unkomplizierter Pragmatismus, den wir auf dem Land einfach draufhaben“, erklärte die Moderatorin.
Es gebe viele Spalter, Neider und Menschen, die Hass verbreiteten: „Mit denen haben wir als öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehstation viel zu tun und auch die heute anwesenden Politiker werden es wissen. Daher ist es umso wichtiger, immer wieder die Dinge zu thematisieren, die unsere Gesellschaft zusammenhalten.“ Dazu gehörten auch Werte, wie das Libori-Fest, stellte Steffi Neu fest.
Landleben prädestiniert für Zusammenhalt
Gemeinsame Ziele, auch sportliche wie bei der jüngst stattgefundenen Frauenfußball-EM, gemeinsamer Humor, zusammen lachen, Traditionen wie der Karneval – all das halte unsere Gesellschaft zusammen. Auf dem Land sei man für diese Art von Zusammenhalt wie gemacht. Vereine und das Ehrenamt seien auf dem Land präsenter als anderenorts. „Und ohne das Ehrenamt würde unsere Gesellschaft auseinanderklaffen“, stelle Steffi Neu fest. Umso wichtiger sei es, dieses Ehrenamt auch den nachfolgenden Generationen vorzuleben, fügte sie hinzu: „Schön ist, dass sich ehrenamtliches Engagement gut weitervererben lässt, man muss es seinen Kindern nur vorleben!“, so die Moderatorin.
Natürlich sei auch das Weihnachtswunder ein Beispiel für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Nachdem sich zu Beginn rund 80 Prozent der Gäste der Landvolkkundgebung dazu bekannt hatten, das Weihnachtswunder 2024 verfolgt zu haben, wollte es sich Steffi Neu nicht nehmen lassen, auch den restlichen 20 Prozent ein Bild von diesem besonderen Zusammenhalt zu verschaffen und spielte einen emotionalen Video-Rückblick ab, der die Anwesenden sichtlich begeisterte.
Menschen mobilisieren
„Was hält unsere Gesellschaft zusammen?“ Dieser Frage widmete sich auch die Talkrunde im zweiten Teil der Kundgebung. Im Erzbistum seien das vor allem die vielen Aktionen, die Menschen mobilisieren, etwas für andere Menschen und den Zusammenhalt zu tun, erinnerte Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz an die Glücklicht-Aktion, im Rahmen derer das Erzbistum für jede gute Tat von Teilnehmenden Geld spendete, und an die Zusammen:Halt-Aktion, die dazu aufrufe, zusammen „Halt!“ zu sagen, gegen alles, was unsere Gesellschaft spalte. „Das Entscheidende ist bei all diesen Aktionen, dass wir nicht nur für unseren eigenen Sektor sorgen, sondern uns immer verstehen als Teil eines großen Ganzen“, erklärte Erzbischof Dr. Bentz.
Hilfsbereitschaft und Einsatz für die Demokratie
Ein ebenso konkretes Beispiel aus der Praxis lieferte Hagen Salmen aus dem Diözesanverband der Katholischen Landjugendbewegung im Erzbistum Paderborn: „In Lichtenau haben sich vergangene Woche 15 junge Menschen zusammen auf den Weg gemacht und eine neue Ortsgruppe gegründet. Sie wollen etwas bewegen vor Ort.“ Auch im Verband der Landfrauen sei dieser Zusammenhalt spürbar: „Unsere Ortsverbände sind unsere Basis. In den Ortsverbänden findet Gemeinschaft statt, da werden Menschen aufgefangen, mitgenommen, um gemeinsam etwas zu erleben, zu lachen, sich auszutauschen“, erklärte WLLV-Präsidentin Cornelia Langreck. „Und was tut der Landwirtschaftsverband für den Zusammenhalt in der Gesellschaft?“, fragte Moderator Stephan Kreye WLV-Präsident Hubertus Beringmeier: „Wir fördern das Ehrenamt, auch im demokratischen Bereich. Hier denke ich an die Kommunalwahlen – wir ermutigen vor allem junge Menschen, sich einzusetzen und der Landwirtschaft eine Stimme zu geben.“ Auch, wenn es um Bedrohung in der Gesellschaft wie Hochwasser oder Brände ginge, seien Landwirtinnen und Landwirte stets zur Stelle, so Beringmeier.
Ein Versprechen an die nächste Generation
Der Frage, wie Kirche auch angesichts des Bistumsprozesses weiterhin im ländlichen Raum präsent seien könne, setzte Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz eine wichtige Botschaft entgegen: „Wir wollen als Kirche weiterhin nah bei den Menschen bleiben“. Das könne vor allem durch das Ehrenamt gelingen. Im Bistumsprozess gelte es, sich die Frage zu beantworten, wie sich lokale Verantwortung stärken lasse, sodass sich Menschen vor Ort finden, die sich neu identifizieren und sagen, „wir sind Kirche, wir leben diese Nähe zu den Menschen“, erklärte der Erzbischof weiter. Das Ehrenamt könne diese Verantwortung angesichts des demografischen Wandels langfristig nicht tragen. Das Vertrauen, von dem das diesjährige Libori-Motto erzähle, sei jedoch auch ein „Zutrauen“. „Da möchte ich ganz bewusst den Fokus auf die junge Generation richten. Was trauen wir ihnen zu? Wie willig und fähig sind sie, die Zukunft mitzugestalten?“, fragte der Erzbischof und gab schließlich ein Versprechen: „Ich habe mich entschieden, dass ich kein Immobilienkonzept in diesem Erzbistum unterschreiben werde, bei dem nicht deutlich dokumentiert ist, wie dieses mit den jungen Menschen vor Ort abgestimmt ist.“
Online braucht Offline
In ihrem Schlussstatement haben Rike Schröder und Theresa Schröder vom diesjährigen Grundkurs das Thema aus ihrer Sicht beleuchtet. Sehr authentisch schilderten sie, wie Social Media Segen und Fluch zugleich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt eingesetzt werden kann. Barrieren können abgebaut, Kommunikation und Vernetzung ausgeweitet und Meinungen verknüpft werden. Demgegenüber stehen die Herausforderungen von Fake-News, KI-Videos oder Netz-Anonymität. Die Digitalisierung kann auch Menschen abhängen, die nicht online sind.
Im Grundkurs haben sie erfahren, dass echter Zusammenhalt offline geschaffen wird. Auf den Punkt gebracht, formulierten sie: „Lasst uns zuhören, voneinander lernen und uns gegenseitig stärken. Denn dann bleibt unsere Gesellschaft lebendig. Miteinander statt gegeneinander! Weil wir mehr erreichen, wenn wir gemeinsam handeln. Weil echte Gemeinschaft nicht durch Ausgrenzung, sondern durch Offenheit entsteht. Weil jede Stimme zählt – und erst im Miteinander Vielfalt zur Stärke wird. Weil Zusammenhalt keine Selbstverständlichkeit ist, sondern eine Entscheidung, die wir jeden Tag treffen. Und weil es am Ende nicht darauf ankommt, woher wir kommen, sondern wohin wir gemeinsam gehen.“
(Isabelle Maria Struck, Text und Fotos, Stephan Kreye, Text)