Wintertagung der Frauen blickt auf "stad(t)tliche Dörfer"
Zur traditionell ersten Veranstaltung des Jahres kamen vom 3.-5. Januar 2020 knapp 30 Frauen in die Landvolkshochschule, um sich Einblicke in aktuelle gesellschaftliche Trends zu verschaffen und ihre Auswirkungen auf den ländlichen Lebensraum zu bedenken.
Obwohl sich die Lebensbedingungen zwischen Stadt und Land in vielen Bereichen einander angenähert haben, existieren weiterhin große Unterschiede. Laut Grundgesetz (Artikel 72) hat die Politik die Aufgabe, die „Herstellung von Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ zu fördern. Da klafft eine große Versorgungslücke zwischen Land und Stadt. Im Einführungsvortrag beschrieb der Redakteur und Historiker Gisbert Strotdrees sehr anschaulich die Notwendigkeit, die digitale Versorgung auf dem Land schnell zu realisieren. Den aktuellen Versorgungsmangel verglich er mit der Elektrifizierung ländlicher Gebiete vor 100 Jahren. Noch fehlen auch konkrete Förderprogramme und neue Wege beispielsweise bei Mobilität, Wohnraumgestaltung oder Medizinischer Versorgung auf dem Land. Der Abwanderungstrend in die Großstädte und Megazentren wird nicht zu stoppen sein, wenn die ländliche Infrastruktur weiterhin so vernachlässigt wird. Hier ist sowohl die Politik gefragt, aber auch die Mitarbeit der Bürger. Viele Beispiele gerade engagierter jüngerer Menschen machen Hoffnung, dass das Land zukunftsfähig bleibt.
Nach einem spannend-humorvollen Abend mit der Kabarettistin und Krimiautorin Kathrin Heinrichs aus dem Sauerland ging es am zweiten Seminartag um das aktuell oft hochemotional diskutierte Thema des Bienen- und Insektenschutzes. Die Landwirtin und Imkerin Katrin Westermann informierte über sachdienliche Fakten und deckte irreführende Fake-News auf. Denn wie bei jeder gesellschaftlichen Problematik greifen monokausale, schnelle Lösungen nicht. Fundierte Sachkenntnis in der politischen Diskussion und Bereitschaft zum eigenen Handeln sind zukunftsfähige Wege, etwas zu verändern. Abschließend benannte sie konkrete Möglichkeiten, wie jeder – ob mit oder ohne Land oder eigenem Garten – den Erhalt der Artenvielfalt unterstützen kann.
Nachmittags erhielten die Teilnehmerinnen in einem Rhetorik-Workshop wichtige, gesprächsfördernde Informationen und Tipps zum redegewandten Umgang mit plakativen Argumentationen. Nur im respektvollen, sachorientierten Dialog ist ein Austausch unterschiedlicher Positionen möglich. Und als zweites praktisches Element stand eine Einheit zu Gesundheitsprophylaxe für Frauen auf dem Land auf dem Programm.
Am Sonntagmorgen stellte Albrecht Binder, Mitbegründer der Stiftung Gemeinwohl-Ökonomie im Kreis Höxter, dieses praktikable und zukunftsfähige Wirtschaftsmodell vor, bei dem im Kreis Höxter bereits 10 Unternehmen mitmachen. Die katastrophalen Folgen der rein auf Profit ausgerichteten Wirtschaft sind hinlänglich bekannt – der Termin des „Welterschöpfungstages“ rückt immer weiter nach vorne, war 2019 bereits am 29. Juli. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen können mit dem alten Denken nicht erreicht werden. Wollen wir verantwortet und nachhaltig leben, bedarf es dringend einer neuen Wirtschaftsordnung. Nicht nur die Ökonomie eines Wirtschaftsunternehmens, sondern auch die Ökologie und die sozialen Auswirkungen müssen als gleich wichtige Faktoren steuerrechtlich berücksichtigt werden. So könnte die Bilanz aus den drei Nachhaltigkeits-Faktoren Ökonomie, Ökologie und Sozialverträglichkeit Basis eines neuen Steuersystems werden, das jedem Unternehmen die Freiheit lässt, sich für das Gemeinwohl zu engagieren und dafür steuerlich entlastet zu werden. Weltweit wird diese Neuorientierung von unterschiedlichen Initiativen bereits forciert.
Insgesamt eröffnete diese Tagung Zukunftswege und ermutigte sowohl zu eigenem Engagement als auch zur Unterstützung neuer politischer Lösungsansätze.
Monika Porrmann