Der Geschichtenrucksack
Kinder lieben Geschichten. Sie führen sie in die Welt der Fantasie und geben viel Spielraum zur Unterhaltung. Geschichten sind Sprachförderung und tragen dazu bei, die sozial-emotionale Kompetenz eines Kindes zu stärken. Geschichten sind Bildung, denn sie vermitteln Wissen in den unterschiedlichsten Bildungsbereichen. Somit sind Geschichten aus dem pädagogischen Angebot nicht wegzudenken. Um den „Geschichtendurst“ des Kindes zu stillen, benötigen Sie, liebe Erzieherin, wenig Raum, aber viele Geschichten, auf die sie spontan, wenn die Geschichtenzeit da ist, zugreifen können. Um diesen „Durst“ der Kinder stillen zu können, benötigt man eine umfangreiche und schnell einsetzbare Auswahl an Geschichten. Damit das Suchen nach einer Geschichte nicht zum Stress führt, möchte ich Ihnen meine Idee unterbreiten: Stellen Sie sich für ein gut verpacktes Angebot einen „Geschichtenrucksack“ zusammen. Dafür verwenden Sie einen besonders bunten oder glitzernden Rucksack. Aus Ihren vielen Büchern können Sie nun die unterschiedlichsten Geschichten kopieren. Diese werden in farbige oder weiße Umschläge gesteckt und zugeklebt. Der Rucksack wird dann mit diesen geheimnisvollen Briefen befüllt und gut sichtbar in die Gruppe gehängt. Jetzt kann er seine Aufgabe erfüllen. Sie, liebe Erzieherin, können ihn nun zu jeder Zeit einsetzen. Hängen Sie sich dazu den Rucksack um, und Sie werden sehen, was passiert. Einige Kinder werden bestimmt sofort neugierig und Fragen stellen. Jetzt laden Sie diese interessierten Kinder zum Mitkommen ein. Suchen Sie sich eine Ecke, die Wiese, den nicht benutzten Schlafraum oder den Mehrzweckraum aus und machen Sie es sich bequem. Ein Kind holt aus dem Rucksack einen Brief und nun lesen Sie den interessierten Kindern eine Geschichte vor. Danach haben die Kinder oft noch viel zu erzählen. Kleine Bewegungs- oder Spieleinheiten, die zu der Geschichte passen, machen dieses Angebot perfekt. Der Geschichtenrucksack begeistert Kinder von 2-6 Jahren und deshalb werden Sie erstaunt sein, wie viele Kinder Ihnen folgen. Im Nu hat der Morgen einen neunen Reiz und der Tagesablauf bekommt einen neuen „Anstrich“. Wenn ich Sie, liebe Erzieherin, mit diesem Vorschlag neugierig gemacht habe, dann probieren Sie ihn aus. Lassen Sie den Geschichtenrucksack zu einem festen Ritual in Ihrem pädagogischen Alltag werden. Sie werden die Vorteile dieses Angebotes schnell erkennen. Ich wünsche Ihnen viel Freude mit dem Geschichtenrucksack.
Ich schenke Ihnen für Ihren Rucksack eine erste kleine Geschichte.
Geschichte: Die Maulwurfsdame Rosalinde
Auf einer Wiese hinter einem alten Bauernhaus hat die Maulwurfsdame Rosalinde ihr Wühlreich. Hier kann sie ungestört vom frühen Morgen bis zum späten Abend buddeln, wühlen und dabei hohe Erdhügel werfen. Besonders schön findet es Rosalinde zwischendurch eine lange Wühlpause zu machen. Dann steckt ihre Nase weit aus dem Erdhügel heraus und lässt den Wind lange um ihre Nase wehen. Danach wühlt sie fleißig weiter. Rosalinde hat große Schaufeln, mit denen sie viel Erde aufschütten kann. Rosalinde ist eine sehr feine Maulwurfsdame. Sie liebt ihr weiches Fell und deshalb putzt sie mit ihren Schaufeln nach einem langen Buddeltag ihr Fell so lange, bis es wieder glänzt. Immer, wenn sie fünf Erdhügel geworfen hat, macht sie wieder eine Putzpause. Sie setzt sich dann auf den höchsten Hügel und streicht mit ihren dicken Schaufeln ihr Fell so lange, bis es glänzt. Rosalinde wühlt auch lange Gänge. Stück für Stück buddelt sie sich durchs Erdreich. Wenn sie mal keine Lust hat, dann liegt sie den ganzen Tag in ihrer Höhle und ist faul. So geht es tagaus und tagein. Doch eines Tages, als sie wieder einen Gang wühlt, hört sie plötzlich über sich laute Geräusche. Es knallt, donnert und kracht so laut, dass Rosalinde sich die Ohren zuhalten muss. Von Minute zu Minute wird dieses Geräusch lauter. Die Erde um sie herum zittert und bebt. Rosalinde bekommt große Angst, denn sie kennt dieses seltsame Geräusch nicht. Weil der Krach nicht aufhört, wird sie neugierig. Langsam kriecht sie den Gang entlang und steckt ihre kleine Nase vorsichtig aus einem Erdhügel. Sie sieht etwas Schreckliches. Viele Beine trampeln und stampfen über die Wiese. Dabei zertreten sie ihre mühevoll errichteten Erdhügel. Rosalinde traut sich noch etwas weiter heraus und sieht nun viele Kinder, die wild auf der Wiese herumtoben. Plötzlich bekommt Rosalinde einen Schubs und sie rollt zurück unter die Erde. Sie rollt den Gang entlang und landet vor einer dicken Baumwurzel. Dort bleibt sie liegen. Rosalinde liegt ganz still. Sie bewegt sich nicht und wartet geduldig ab. Nach einer langen Zeit ist es wieder ganz still. Mutig kriecht sie wieder den Gang entlang und schaut aus dem Loch. Rosalinde schaut nach rechts und links und geradeaus und ist erstaunt. Die vielen Kinder sind spurlos verschwunden. Rosalinde krabbelt nun auf die Wiese und sieht, dass alle Erdhügel zertrampelt sind. Eine ganze Weile sitzt sie da und ist sehr traurig. Doch nach einiger Zeit hat sie doch wieder Lust, neue Hügel zu werfen. Sofort kriecht sie unter die Erde und macht sich an die Arbeit. Im Nu ist die ganze Wiese wieder voller schöner Erdhügel. Am Abend setzt sie sich, wie immer, auf einen Hügel und putzt ihr Fell so lange, bis es glänzt. Der Mond schaut ihr dabei zu. Er beleuchtet ihre vielen Hügel und die Wiese sieht aus, als wären auf ihr hundert Berge. Rosalinde ist stolz. Müde kriecht sie in ihre Erdhöhle und schläft ein.
Sollten Sie, liebe*r Erzieher*in, Interesse an einer Fortbildung haben, lade ich Sie ein, am 15. April 2021 nach Hardehausen zu kommen (für mehr Details hier klicken). Dort hören Sie mehr von den Vorteilen des Geschichtenrucksacks.
Ich würde mich freuen, Sie begrüßen zu können.
Ingrid Biermann