"Man ist nie zu alt, um jung zu sein." Vortrag von Bernhard Eder in Prag im Parlament
Senioren als Subjekte ihres Lebens - Erfahrungen der Bildungsarbeit der Landvolkshochschule mit älteren Menschen im Kontext der gerontologischen Diskussion
(Gekürzter Vortrag von Bernhard Eder bei einer internationalen familienpolitischen Konferenz am 26.04.2022 in Prag im Plenarsaal des Senats, der zweiten Kammer des Tschechischen Parlaments)
Ältere Menschen wollen die „späte Freiheit“ (der Gerontologe Leopold Rosenmayr) der nachberuflichen Lebensphase als selbstbewusste Subjekte ihres Lebens in der Vielfalt der Möglichkeiten wie auch Einschränkungen gestalten. Die Bildungsarbeit kann sie dabei unterstützen, diesen Weg stimmig zu gehen. Senior*innen wollen weder einseitig Objekte paternalistischer Fürsorge und Betreuung noch Objekte der Engagement-Verpflichtung sein.
In der öffentlichen Wahrnehmung ist immer noch eine Vorstellung des Älterwerdens präsent, ja gelegentlich dominant, wonach Alterungsprozesse in erster Linie als Leistungsabnahme, als zunehmende Verschlechterung des physiologischen, psychischen und körperlichen Allgemeinzustands verstanden werden. Das Alter wird assoziiert mit Abbau, Sorgebedürftigkeit und hohen Kosten. Hier ist dann die Rede von der Alterslast und von der Überalterung der Gesellschaft. Diese Haltung wird der Lebenssituation und der Lebensorientierung vieler Senior*innen nicht gerecht. Sie wollen aktiv sein, streben die soziale Teilhabe an und sind glücklich, wenn sie gebraucht werden. Infolgedessen hat in den letzten Jahrzehnten berechtigterweise das Kompetenzmodell des Alters an Bedeutung gewonnen. Im Fokus steht der reiche Erfahrungsschatz gut situierter fitter Senior*innen, den sie für ein Engagement im Interesse der Allgemeinheit nutzen (sollen). So begrüßenswert es ist, die Weisheit des Alters und dessen Potenziale für die Gesellschaft zu würdigen, so bedenklich ist es, sie mit einem „kategorischen Imperativ“ der Engagement-Verpflichtung zu verbinden. Exemplarisch sei hier der Gerontologe Hans-Peter Tews erwähnt: „Von den kompetenter gewordenen Alten kann man ja doch schließlich fordern, dass sie ihre Kompetenzen auch einsetzen.“
Die Bildungsangebote der Landvolkshochschule greifen den Impuls der späten Freiheit verbunden mit einer Würdigung der Vielfalt an Lebensorientierungen und Bildungswünschen von Menschen in der nachberuflichen Phase auf. Dies sei an zwei Seminaren illustriert:
Das Seminar „hinterm Horizont geht’s weiter, aktiv und vital bleiben als Rentner*in: ein Kurs für den gelingenden Start in den Ruhestand“ richtet sich an Menschen, die den Übergang in die nachberufliche Lebensphase kurz- oder mittelfristig vor sich haben oder diesen Schritt schon vollzogen haben. Sie alle wollen Ideen und Impulse, wie sie diese Lebenszeit für sich stimmig gestalten. Ihnen wird die große Bandbreite an Möglichkeiten aufgezeigt, von der Neugestaltung der Partnerschaft über die zeitliche Strukturierung des Alltags, die breite Palette an Bildung und die Kraftquellen der Spiritualität hin zu den vielfältigen Formen eines aktiven Lebens. In diesem Kontext werden Gelegenheiten des freiwilligen Engagements zur Sprache gebracht, freilich als Chance und ohne jeglichen Druck. Niemand wird zu einem ehrenamtlichen Einsatz gedrängt. Im Gegenteil: ein wesentlicher Programmpunkt ist, dass die Teilnehmenden, durchaus in kreativer Form, ihre ureigenen Wünsche, Träume und Visionen zur Sprache bringen.
Bildung ist ein Schlüssel zur erfolgreichen Partizipation. Das ist die zentrale Erkenntnis des Seminars, das jährlich als dreitägige Veranstaltung für Mitglieder kommunaler Seniorenvertretungen in Nordrhein-Westfalen, in Kooperation mit der Landesseniorenvertretung NRW durchgeführt wird. Derzeit gib es 171 Kommunale Seniorenvertretungen in diesem Bundesland. Sie vertreten gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit beratend und gemeinwohlorientiert die Interessen älterer Menschen. Das Seminar in Hardehausen macht die Teilnehmenden mit für ältere Menschen relevanten gesellschaftlichen Entwicklungen vertraut. Es ist ein Forum der Einübung von Beratung und Partizipation, da die kommunalen Seniorenvertretungen im Kurs lernen, welche Themen sie wie in die öffentliche Debatte einbringen können. Die Seminarthemen orientieren sich an den Politikfeldern und Aufgabenschwerpunkten dieser Engagierten. Die Bandbreite reicht von Mobilität und Digitalisierung über Geriatrie und Entlass-Management in Krankenhäusern hin zu Netzwerkarbeit und Teambildung.